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1.500m-Lauf der Frauen, Vorschau: Die Wucht der letzten Runde
Es ist das Duell der Gigantinnen. Zweier europäischer Gigantinnen. Vielleicht wird es das, denn es sind noch andere hochleistungsfähige Läuferinnen im 1.500m-Finale der Frauen. Zum Beispiel die Olympiasiegerin und Titelverteidigerin Faith Kipyegon, hinter deren Leistungsfähigkeit nach ihrem Comeback aus der…
Es ist das Duell der Gigantinnen. Zweier europäischer Gigantinnen. Vielleicht wird es das, denn es sind noch andere hochleistungsfähige Läuferinnen im 1.500m-Finale der Frauen. Zum Beispiel die Olympiasiegerin und Titelverteidigerin Faith Kipyegon, hinter deren Leistungsfähigkeit nach ihrem Comeback aus der Babypause ein leichtes Fragezeichen steht. Sie könnte die beiden übertrumpfen, oder Shelby Houlihans Endspurt. Doch die Papierform verspricht es: Sifan Hassan gegen Laura Muir. Die Weltrekordhalterin über die Meile gegen die schnellste Europäerin im 1.500m-Lauf seit dem Fall des Eisernen Vorhangs. Die Weltmeisterin im 10.000m-Lauf gegen die Europameisterin im 1.500m-Lauf. Die in Äthiopien geborene Holländerin, die im Nike Oregon Project in den USA trainiert gegen die Schottin, die in ihrer Heimat unter ihrem Langzeitcoach Andy Young trainiert. Dieses Duell findet im Rahmen der wahrscheinlich am besten besetzten Lauf-Entscheidung bei den Frauen bei diesen Weltmeisterschaften statt. Obwohl im Vergleich zu 2017 die verletzte Genzebe Dibaba und die nicht startberechtigte Caster Semenya fehlen. Obwohl Konstanze Klosterhalfen die 5.000m bevorzugt.
Bewerb: 1.500m-Lauf der Frauen Startzeit: Samstag, 5. Oktober um 20:55 Uhr Ortszeit (19:55 Uhr MEZ) Olympiasiegerin 2016: Faith Kipyegon (Kenia) Titelverteidigerin: Faith Kipyegon (Kenia) Rekord-Weltmeisterinnen: Hassiba Boulmerka (Algerien), Tatyana Tomashova (Russland) und Maryam Yusuf Jamal (Bahrain) mit je zwei WM-Titeln Erfolgreichste Nation: Russland / UdSSR mit vier WM-Titeln WM-Rekord: Tatyana Tomashova (Russland) in 3:58,52 Minuten (Paris 2003) Weltjahresbestleistung: Sifan Hassan (Niederlande) in 3:55,30 Minuten (Monaco 2019) * Favoritinnen: Sifan Hassan (Niederlande), Laura Muir (Großbritannien) Co-Favoritin: Faith Kipyegon (Kenia) * Zwischenzeit auf dem Weg zu ihrem Meilen-Weltrekord
Das Duell zwischen Sifan Hassan und Laura Muir bringt große Unterschiede. Die Holländerin hat sich unter Alberto Salazar zur Athletin entwickelt, die die beeindruckendste Bandbreite aller hat. Vom 800m-Lauf bis zum Halbmarathon ist sie Weltklasse. Über die Meile hält sie den Weltrekord, im 3.000m-Lauf, im 5.000m-Lauf und im Halbmarathon den Europarekord, im 10.000m-Lauf ist sie Weltmeisterin. Die 26-Jährige blickt auf eine außergewöhnliche Saison zurück, welche in einem Dopppel-WM-Titel in Doha gipfeln soll. Vergleiche mit den Besten in der Geschichte des Laufsports werden längst gezogen und die tief religiöse Muslimin Hassan bringt schlagfertige Argumente in die Diskussion ein. Unter Salazar ist sie definitiv von einem Rohdiamanten zu einem funkelnden Schmuckstück geworden.
Im spannenden und von den Leistungen her berauschenden 10.000m-Finale der Frauen zeigte sich Sifan Hassan taktische Vorliebe. Lange Zeit im Windschatten laufen, dann das Tempo verschärfen und mit einer unglaublichen Tempohärte in der Schlussphase die Entscheidung herbeiführen. Am vergangenen Samstag benötigte die Holländerin eine unglaubliche Zeit von 3:59,09 Minuten von der Zwischenzeit bei 8.500m bis ins Ziel. 3:59,09 Minuten nach 8.500m flottem Anlauf. Nie ist eine Österreicherin in einem 1.500m-Lauf schneller gewesen. In Deutschland liegt der Landesrekord von Konstanze Klosterhalfen haarscharf darunter. Für die Schlussrunde brauchte Hassan in diesem Rennen eine Zeit von 61,49 Sekunden, über 1.500m kann sie das noch schneller.
Die Schlussrunde ist jene Komponente in ihren Rennen, die Laura Muir im letzten Jahr am deutlichsten verbessern konnte und nun auch in dieser Teildiziplin innerhalb eines 1.500m-Laufs zur Weltklasse gehört. Sie war ein wesentlicher Mitgrund, warum die Schottin bei ihrer Heim-WM vor zwei Jahren als Vierte knapp leer ausging. Beim Diamond-League-Meeting in London im Juli knallte sie eine letzte Runde von 57,54 Sekunden auf die Bahn und verblüffte die Fachwelt. Denn das war kein langsames Rennen, sondern eines mit einer Siegerzeit von deutlich unter vier Minuten.
Laura Muir hat ihr Veterinärstudium an der Universität von Glasgow im letzten Jahr abgeschlossen und bestreitet ihre erste Wettkampfsaison, in der sie sich mit voller Konzentration dem Leistungssport widmet. Diese Zeit nutzte sie, ihre Lauftechnik und ihre Ernährung zu optimieren sowie mehr Stretching ins Training einfließen zu lassen. Doch dann passierte ihr im Trainingslager in St. Moritz sechs Wochen vor der WM ein Muskelfaserriss, den sie zwar schnell auskurierte, aber wichtige Wettkämpfe auf dem Weg nach Doha links liegen lassen musste. Im Vor- und Halbfinallauf machte die Europameisterin, die keinen Kaffee trinkt und tagtäglich eine To-Do-List schreibt, einen starken Eindruck. „Ich fühle mich richtig, richtig gut und bin sehr positiv“, sagte die 26-Jährige nach dem Halbfinale.
Trotz starker Widersacherinnen zur Titelverteidigung?
Es ist mutig, Faith Kipyegon die Favoritenrolle abzujagen. Schließlich hat die Kenianerin seit den Olympischen Spielen 2016 kaum ein Rennen verloren, an dem sie teilgenommen hat. Nach der Pause während der Wettkampfsaison 2018, als sie ihre Tochter zur Welt brachte, verlief auch das Comeback erfolgreich: Sieg in der Diamond-League in Stanford und bei den Kenya Trials. Allerdings hat die Kenianerin noch nicht nachgewiesen, dass sie auch die Tempohärte drauf hat, um Hassan und Muir im direkten Duell zu besiegen. Die beiden Europäerinnen sind wesentlich stärker als vor zwei Jahren in London, als die sie das Stockerl verpassten. Ob Selbiges von Kipyegon, die 2016 und 2017 in einer Traumform verweilte, ebenfalls behauptbar ist, ist fraglich. Immerhin trainiert sie seit heuer beim Starcoach Patrick Sang. Im Vor- und Halbfinale deckte sie ihre Karten nicht vollständig auf.
Starke US-Amerikanerinnen
In den Kampf um die Medaillen wollen auch die US-Amerikanerinnen eingreifen. Jennifer Simpson, Weltmeisterin von 2011, WM-Zweite 2013 und 2017 zeigte sich im Vor- und Halbfinallauf sehr gut in Form und baut auf ihre unendliche Erfahrung, in Meisterschaftsrennen immer die richtige Taktik bei der Hand zu haben. Vielleicht ist aber Shelby Houlihan die bessere aus dem Team USA. Die große Stärke der 26-Jährigen ist ein frenetischer Endspurt entlang der Zielgerade. Ist sie 100 Meter vor dem Ziel gut platziert, ist sie fast unschlagbar. Doch die Wettkampfsaison 2019 lief nicht so glorreich wie die vorangegangene, als Houlihan gleich zwei Diamond-League-Rennen gewann. Was auch daran lag, dass Houlihan nur zwei internationale Rennen überhaupt bestritt: in Stanford, wo sie Dritte war, und bei den Trials, wo sie den 1.500m-Lauf und den 5.000m-Lauf gewann. Das bedeutet über zwei Monate Wettkampfpause vor der WM, ein Risiko. „Ich will Gold!“, kündigte der Schützling von Jerry Schumacher nach dem Halbfinale an. Die dritte US-Amerikanerin im Finale ist Nikki Hiltz, die im Halbfinale einen persönlichen Rekord lief.
In die Liste der Medaillenkandidatinnen muss unbedingt die Kanadierin Gabriela Debues-Stafford aufgenommen werden. Seit die 24-Jährige bei Andy Young in der Trainingsgruppe von Laura Muir trainiert, ging es steil bergauf. Mehrfach brach sie in diesem Jahr kanadische Rekorde, jenen im 1.500m-Lauf zuletzt beim Diamond-League-Finale in Zürich. Eine kanadische Medaille hat es im 1.500m-Lauf bei Weltmeisterschaften noch nie gegeben. Das Teilnehmerinnenfeld komplettieren die nicht zu unterschätzende Uganderin Winnie Nanyondo, die im Halbfinale starke Kenianerin Winny Chebet, die Äthiopierin Gudaf Tsegay, die Marokkanerin Rababe Arafi und die irische Außenseiterin Ciara Mageean.
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