Zweieinhalb Jahre nach Monza versucht Eliud Kipchoge ein weiteres Mal, die Schallmauer von zwei Stunden im Marathon zu durchbrechen. Damals war Nike die wirtschaftlich wie wissenschaftlich treibende Kraft hinter der letztendlich nur knapp gescheiterten Unternehmung. Dieses Mal hat sich der britische Chemie-Riese INEOS dieses sportliche Ziel mit auf die Fahnen geheftet.
Wer ist INEOS?
INEOS ist ein Zusammenschluss verschiedener Unternehmen, das diverse Chemikalien, Erdöl und Erdgas produziert und im weltweiten Handel vertreibt. Das Netzwerk umfasst 168 Standorte in 26 Ländern, insgesamt beschäftigt es 21.000 Menschen und erzielt einen Umsatz von über 50 Millionen Euro jährlich. Der Vorstandsvorsitzende Jim Ratcliffe wurde 2018 von der britischen Zeitung „Sunday Times“ als reichster Brite tituliert. Als entschiedener Brexit-Befürworter hat er mit ökonomischer Weitsicht den Firmensitz längst ins Steuerparadies Monaco verlegt, um Hunderte Millionen an Steuergeldern einzusparen.
Was verbindet INEOS mit Sport?
Nicht nur aufgrund der „Steuerflucht“, sondern auch aufgrund der Charaktereigenschaften der Branche, hat INEOS alltäglich damit zu kämpfen, sein negatives Image aufzupolieren. Dass Ratcliffe ein Sport-Enthusiast ist, der selbst über 30 Marathonläufe absolviert hat, legte eine harmonische Verbindung auf den Tisch, die seit kurzem in aller Intensität umgesetzt wird, um öffentlichkeitswirksame PR zu betreiben. INEOS übernahm das erfolgreiche Sky-Radteam rund um Tour-de-France-Dauersieger Chris Froome und feierte mit dem jungen Kolumbianer Egan Bernal auf Anhieb den Triumph bei der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt, dem prestigeträchtigsten Radrennen der Welt. Mit dem prestigeprächtigen Projekt, gemeinsam mit Eliud Kipchoge die Zwei-Stunden-Marke im Marathon zu unterbieten, bieten sich weitere hochkarätige Möglichkeiten der positiven Nachrichten aus dem Sport. Ein Traumziel wie dieses zieht die weltweite Laufszene in den Bann. Der neueste Coup des Unternehmens, bei dem Geld so gut wie keine Rolle spielt, ist die Übernahme des französischen Fußball-Erstligisten OGC Nizza. INEOS besitzt außerdem den Schweizer Fußballclub Lausanne-Sports und den Eishockeyclub im ehemaligen Headquarter von INEOS am Genfer See, engagiert sich im Segeln und unterstützt die Initiative „Daily Mile“ zur Förderung der Gesundheit und Fitness von Kindern. „Wir glauben daran, dass physische Aktivität ein essentieller Faktor für ein glückliches und gesundes Leben ist“, lautet die Devise. Rund 1,7 Millionen Kinder laufen täglich eine Meile.
Geschichte schreiben als Auftrag
Jim Ratcliffe hat sich in Vorbereitung der Idee der INEOS 1:59 Challenge als Fan von Eliud Kipchoge geoutet. „Eliud ist der größte Marathonläuer aller Zeiten und der einzige Athlet der Welt, der eine Chance hat, die Zwei-Stunden-Marke zu durchbrechen“, lenkt der Brite den Fokus auf die historische Bedeutung. „Es ist damit vergleichbar, einen Menschen auf den Mond zu bringen.“ Ganz so kostspielig wie die historische Erstlandung auf dem Mond wird die INEOS 1:59 Challenge in Wien nicht, nichtsdestotrotz ist auf dem ersten Blick klar, dass es am Finanziellen nicht scheitern soll. „Wir haben die Verantwortung, sicherzustellen, dass er die beste Gelegenheit erhält“, stellt Ratcliffe klar und beauftragte ein erfahrenes Projektteam mit der möglichst optimalen Vorbereitung dieses Ereignisses, das nicht nur der Sportgeschichte, sondern möglichst auch als PR für INEOS dienen soll. Investment soll sich schließlich rentieren. „Wir freuen uns sehr, dass wir mit Wien einen Austragungsort gefunden haben, der Eliud Kriterien entspricht und darauf, im Oktober erleben zu können, wie Geschichte geschrieben wird“, fügt der Brite an.
Sportliches Ziel überwiegt dem finanziellen
Eliud Kipchoge übrigens wird finanziell im Rahmen der INEOS 1:59 Challenge auch nicht schlecht aussteigen, so viel steht fest. Auch wenn konkrete Summen nicht genannt wurden. Allerdings betont der Kenianer bemüht, dass Geld nicht der entscheidende Faktor für den zweiten Versuch, einen Marathon unter zwei Stunden zu laufen, ist: „Es geht mir darum, aufzuzeigen, dass kein Mensch Grenzen fürchten muss. Dass nichts unmöglich ist. Ich tue das sicher nicht des Geldes wegen. Der Sponsor liebt Sport und hat mich gefragt, ob ich es noch einmal versuchen möchte. Es ist eine tolle Gelegenheit, Sportgeschichte zu schreiben.“
INEOS 1:59 Challenge