Zwei Jahre nach ihrem letzten internationalen Wettkampf hat Faith Kipyegon beim Diamond-League-Meeting in Stanford eine triumphale Rückkehr gefeiert. Gut ein Jahr nach der Geburt ihrer Tochter Alyn knüpfte die Olympiasiegerin von Rio und Weltmeisterin von London nahtlos an ihrer Erfolgsserie vor der Babypause an. Obwohl sie im Vorfeld bewusst den Ball flach hielt, zeigte sich die 25-Jährige bereits wieder in bärenstarker Form und überzeugte auf allen Ebenen. In der vorletzten Runde platzierte sie sich im Rücken von Laura Muir und fand damit die ideale Ausgangsposition für ein großes Finale. Ausgangs der letzten Kurve setzte sich die Kenianerin neben die Britin und hatte klar das bessere Finish als die Schottin, die die letzten Meter mit angestrengter Miene verbrachte. In einer Zeit von 3:59,04 Minuten verwies Kipyegon bei ihrem Comeback Laura Muir (3:59,47) und Shelby Houlihan (3:59,64) auf die weiteren Plätze. Auch Gudaf Tsegay, die eine starke Saison läuft, blieb noch unter vier Minuten.
Laura Muir durfte sich trotz des neuerlichen zweiten Platzes über einen Teilerfolg freuen. Ihre Taktik war darauf ausgelegt, die bekannt endschnelle US-Amerikanerin frühzeitig aus der Komfortzone zu holen. Das gelang, denn Houlihans Kick kam zwar, aber bei ihrem Comeback nach Verletzung nicht in einer derartig eindrucksvollen Art und Weise wie beispielsweise bei ihrem Sieg im Vorjahr. Eine lobenswerte Leistung lieferte die 22-jährige, in den USA studierende Australierin Jessica Hull ab, die eine klare Bestleistung von 4:02,62 Minuten erzielte. Im Gegensatz zu den anderen beiden Mittelstrecken gab es im 1.500m-Lauf trotz der starken Besetzung keine Punkte für die Diamond-League-Finalqualifikation.
Semenya und das alte Spiel
Im 800m-Lauf feierte Caster Semenya ihr Comeback über ihre Spezialdisziplin und lieferte eine Kopie vieler ihrer Siege – Nummer 31 in Serie auf höchstem Niveau. Die erste Runde hielt sie sich hinter Pacemakerin Chrishuna Williams auf, die in 56,42 Sekunden anlief. Die Südafrikanerin übernahm dann das Zepter und ließ der Konkurrenz nicht den Hauch einer Chance. Bereits auf der Gegengerade hatte sie rund zehn Meter Vorsprung, sie finishte in einer Zeit von 1:55,70 Minuten. Damit verbesserte sie ihren eigenen Meetingrekord aus dem Vorjahr um 0,22 Sekunden.
Das wirkliche Rennen fand um den zweiten Platz statt und in diesem Kampf bestachen die US-Amerikanerinnen mit hervorragenden Leistungen. Ajee Wilson kontrollierte die Verfolgergruppe in einer Zeit von 1:58,36 Minuten, Raevyn Rogers (1:58,65) und Hanna Green mit einer neuen, massiven persönlichen Bestleistung von 1:58,75 Minuten folgten. Erst dahinter reihten sich Habitam Alemu und Natoya Goule ein. Negativer Höhepunkt des Rennens war ein spektakulärer Sturz der ukrainischen Europameisterin Nataliia Prishchepa in der letzten Kurve. Im Getümmel hatte sie den Fuß einer vor ihr laufenden Kontrahentin berührt, gestolpert und unsanft auf der Bahn aufgeschlagen.
Cheruiyot gewinnt Bowerman Mile
Den krönenden Abschluss des hochkarätigen Meetings in Stanford anstelle von Eugene, wo in Vorbereitung auf die WM 2021 gebaut wird, stellte das Meilenrennen der Männer dar. Das Feld nahm das Tempoangebot der Pacemaker nicht auf, wodurch sich im Finale ein spannender Schlagabtausch entwickelte. Von den kenianischen Dominatoren überzeugte erneut nur einer: Timothy Cheruiyot beherrschte das Rennen zu jeder Sekunde und konnte im Finale sogar noch einmal zulegen. Der klare Sieg in einer Zeit von 3:50,49 Minuten war unstrittig, und bedeutet eine neue Weltjahresbestleistung. Und das obwohl Cheruiyot aufgrund von Visa-Problemen zwei Tage später als geplant anreisen konnte. Dagegen erlebte Weltmeister Elijah Manangoi, der zu Saisonbeginn in Doha noch vorne lag, nach Position zehn in Stockholm ein weiteres Debakel und musste mit Platz zwölf Vorlieb nehmen. Die Frage nach seiner überraschend schlechten Form häufen sich. Ein sportliches Debakel erlebte übrigens auch Yomif Kejelcha. Der Äthiopier, der im Winter einen neuen Hallen-Weltrekord über die Meile aufgestellt hatte, erlitt bei seinem Debüt über diese Distanz im Freien eine deftige Niederlage von 3:58,24 Minuten und Rang 13 – ein Gegenpol zu den restlichen Leistungen des Nachmittags für das Nike Oregon Project.
Spannender als der Kampf um den Sieg war jener um den zweiten Platz. Es ist mittlerweile eine klare Tendenz, dass Jakob Ingebrigtsen seine Wettkämpfe immer offensiver gestaltet. Auch in Stanford übernahm er die Initiative und arbeitete sich in der letzten Runde innen auf den zweiten Platz hinter Cheruiyot vor. Neuerlich fehlte dem norwegischen Supertalent auf der Zielgerade das gewisse Etwas, das es für einen großen Sieg gegen die Weltbesten noch fehlt. Ayanleh Souleiman und im letzten Atemzug auch sein Bruder Filip überholten ihn noch, die drei lagen am Ende binnen 0,08 Sekunden. So lauten die Luxusprobleme eines 18-jährigen Ausnahmeläufers im Moment, während sein sieben Jahre älterer Bruder ein wichtiges Ausrufezeichen setzen konnte. Hinter dem norwegischen Dup erreichten mit Craig Engels (PB: 3:51,60) und Olympiasieger Matt Centrowitz, der ein gutes Comeback feierte, die besten Amerikaner das Ziel, Hallen-Weltmeister Samuel Tefera wurde nur Achter.
Der RunAustria-Bericht von den Langdistanz-Rennen beim Diamond-League-Meeting in Stanford: European Revolution made in USA
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