Adam Kszczot hat bei den Europameisterschaften in Berlin erneut unter Beweis gestellt, dass er auf der europäischen Bühne „Mister 800 Meter“ ist. Der Pole gewann in einem spannenden und sehr guten Finallauf den dritten Europameistertitel in Folge, was einen neuen EM-Rekord darstellt. Inklusive seiner drei Titel in der Halle ist der 29-Jährige nun sechsfacher Europameister in ein und derselben Disziplin. Dafür holte Kszczot ein Ass aus dem Ärmel und lief offensiver als gewöhnlich. Am Tag X rief er die beste Saisonleistung ab und gewann mit klarem Vorsprung auf die Konkurrenz in einer Zeit von 1:44,59 Minuten. Den lauteren Jubel produzierte Andreas Kramer, der mit einer Einstellung seines eigenen schwedischen Landesrekordes von 1:45,03 Minuten die Silbermedaille gewann. Damit feierte der mit 21 Jahren jüngste Läufer im Feld (elf Tage jünger als der Pole Mateusz Borkowski) den größten Erfolg seiner Karriere, nachdem er im Vorjahr in Bydgoszcz Europameister der Altersklasse U23 wurde. Weltmeister Pierre Ambroise Bosse, den der Skandinavier souverän hinter sich ließ, rettete mit allerletzter Kraft die Bronzemedaille vor dem heranstürmenden Polen Michal Rozmys. Obwohl er seine erst zweite EM-Medaille beim vierten Antritt gewann (wie vor sechs Jahren Bronze), ging die Taktik des Franzosen nicht auf.
Von Null auf Hundert
Überraschend startete Pierre Ambroise Bosse absichtlich wie eine lahme Ente und ordnete sich an der letzten Stelle ein. Noch zwei Positionen hinter Kszczot, der diese Position normalerweise bevorzugt. Auf der Zielgerade der ersten Runde folgte die abrupte Attacke nach vorne, von null auf hundert. Bis dorthin hatte wie erwartet Andreas Kramer geführt, ohne ein übertrieben hohes Tempo zu laufen. Nichts deutete auf eine derartig gute Siegerzeit hin, als der Weltmeister nach 53,14 Sekunden das Feld in die zweite Runde führte. Kszczot hatte den Braten gerochen und war Bosse gefolgt, hinter Kramer nahm er die zweite Runde als Dritter in Angriff. Damit war der Pole zu diesem frühen Zeitpunkt des Rennens viel aktiver als gewöhnlich und viel weiter vorne postiert als bei der WM in London, als er Bosse trotz eines sensationellen Schlussspurts über 200 Meter nicht mehr abfangen konnte. Erstens erfordern große Aufgaben besondere Taten und zweitens hatte der Taktikfuchs aus Polen von seiner Fehleinschätzung im WM-Finale gelernt.
Nach Plan mit Glanzleistung auf der zweiten Runde
Ab diesem Zeitpunkt lief das Rennen wie am Schnürchen für den Titelverteidiger, der eine sagenhafte zweite Runde in einer Zeit von 51,02 Sekunden auf die blaue Bahn im großartig gefüllten Berliner Olympiastadion zauberte. Als Kszczot nach 600 Metern mit Kontakt nach vorne immer noch auf Platz drei lag, war ihm der Sieg bereits nicht mehr zu nehmen. Denn nun kam die Phase, in der Kszczot mit seinem unwiderstehlichen Antritt die Konkurrenz regelmäßig alt aus sehen lässt. Eingangs der letzten Kurve schnappte er sich Kramer und mitten in der Kurve, 150 Meter vor dem Ziel, den führenden Bosse. Der Weltmeister hatte nichts mehr entgegen zu setzen, während sein Stellvertreter mit großem Vorsprung die Zielgerade Richtung drittem EM-Gold hinunter stürmte.
Andreas Kramer, der bereits mit steigender Leistungskurve nach Berlin anreiste, belohnte seinen couragierten Laufstil mit einer viel umjubelten Silbermedaille. Dass er dabei seinen eigenen Landesrekord einstellte, demonstriert, dass er beim Saison-Höhepunkt wie Kszczot seine beste Leistung abrufen konnte. Auf der Innenbahn war Bosse nun nur mehr im passiven Laufverhalten unterwegs, mit letzter Kraft rettete er in einer Zeit von 1:45,30 Minuten immerhin die Bronzemedaille. Wie bereits in den Vor- und Halbfinalläufen stürmten von hinten die beiden jungen Polen Michal Rozmys und Mateuz Borkowski mit Schwung heran. Ihnen fehlten mit neuen persönlichen Bestleistungen nur 0,02 bzw. 0,12 Sekunden auf Edelmetall. Falls „Mister 800 Meter“ einmal in den Ruhestand abtreten sollte, haben die Polen für Nachwuchs gesorgt. Bemerkenswert: Mit dem EM-Silbermedaillengewinner von 2012, Andreas Bube schaffte sechs Läufer eine Endzeit von unter 1:46 Stunden – für ein Meisterschaftsrennen auf europäischer Ebene nicht üblich.
Ergebnis 800m-Lauf der Männer
Gold: Adam Kszczot (Polen) 1:44,59 Minuten
Silber: Andreas Kramer (Schweden) 1:45,03 Minuten
Bronze: Pierre Ambroise Bosse (Frankreich) 1:45,30 Minuten
4. Michael Rozmys (Polen) 1:45,32 Minuten
5. Mateuz Borkowski (Polen) 1:45,42 Minuten
6. Andreas Bube (Dänemark) 1:45,92 Minuten
7. Alvaro de Arriba (Spanien) 1:46,41 Minuten
8. Lukas Hodbod (Tschechische Republik) 1:46,60 Minuten
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