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Ein Aufschrei hallte durch die holländische Leichtathletik, als Sifan Hassan gegen Ende des letzten Jahres eine wichtige Entscheidung bekannt gab. Adieu Niederlande, adieu Coach Honore Hoedt, Willkommen Oregon. Als Neuzugang der hochkarätigen Trainingsgruppe um den US-amerikanischen Starcoach Alberto Salazar erhoffte…
Ein Aufschrei hallte durch die holländische Leichtathletik, als Sifan Hassan gegen Ende des letzten Jahres eine wichtige Entscheidung bekannt gab. Adieu Niederlande, adieu Coach Honore Hoedt, Willkommen Oregon. Als Neuzugang der hochkarätigen Trainingsgruppe um den US-amerikanischen Starcoach Alberto Salazar erhoffte sie sich, die auch aufgrund einer Verletzungspause im vergangenen Jahr entstandene Lücke auf die afrikanischen Superstars Faith Kipyegon und Genzebe zu schließen. Es soll der entscheidende Schritt von WM-Bronze und Rang fünf bei Olympia zum schönsten aller Edelmetalle gelingen. Für große Träume lässt man auch kritische Stimmen aus der Heimat über sich ergehen und wischt vielleicht auch weg, dass Alberto Salazar seit zwei Jahren praktisch permanent in Kritik steht. Man wirft ihn unlautere Praktiken vor – an der Grenze des Erlaubten mit einer breiten Palette an Medikamenten, Präparaten und Substanzen. Die US-amerikanische Anti-Doping-Agentur (USADA) ermittelt, bisher nur mit einem nennenswerten Ergebnis, auf das Salazar stolz ist. Einen Dopingfall gab es in seinem Team noch nie, konkrete Indizien auch nicht. Und die tonnenschweren Argumente der sportlichen Erfolge seiner Elite-Trainingsgruppe musste er Sifan Hassan sicherlich nicht zweimal vortragen. „Ich bin Honore sehr dankbar für alles, was er für mich getan hat. Aber er konnte sich nicht immer 100% auf mich konzentrieren, weil er teilweise anderen Verpflichtungen nachgehen musste“, erklärte die Holländerin im Winter. Ihr holländischer Manager, der berühmte Jos Hermens, ist ein Fan dieser Entscheidung: „Alle in Oregon sind enthusiastisch, weil sie selbst gespannt sind, wie gut sich Sifan in der professionellsten Trainingsgruppe der Welt weiterentwickelt.“
Auf den Spuren Mo Farahs
Der Starathlet Salazars heißt Mo Farah und die Statistik ist überzeugend. Seit der Brite beim ehemaligen, dreifachen Sieger des New York City Marathon im US-Bundesstaat Oregon im von Nike unterstützten, hochmodernen Trainingslager trainiert, verlor er nur ein großes Rennen. Das erste, über 10.000m bei der WM in Daegu. Seither ist er über die 25 Stadionrunden inklusive der Weltmeisterschaften 2017 ungeschlagen (siehe RunAustria-Bericht) und gewann insgesamt zehn globale Titel auf den Langstrecken. Von solchen Erfolgen träumt die 24-jährige Sifan Hassan noch, sie will sie dank des professionelleren Umfelds im Nordwesten der Vereinigten Staaten auf den Spuren der lebenden britischen Legende realisieren. Sowohl Farah als auch Hassan haben afrikanische Wurzeln – Farah ist in Somalia geboren, kam mit acht Jahren nach London und fing in Großbritannien mit dem Laufen an. Hassan flüchtete 2008 aus Äthiopien in die Niederlande, startete erst dort ihre Laufkarriere und ist vor dem 1.500m-Finale in London die Favoritin. Erhärtet durch die drei schnellsten Laufzeiten in dieser Disziplin in diesem Jahr und durch die Eindrücke bei ihren beiden Auftritten im Londoner Olympiastadion bisher.
Halbfinal-Demonstration
Im Halbfinale demonstrierte die Athletin von Alberto Salazar, der übrigens nicht in London weilt, ihre Überlegenheit. Wie man es von ihr kennt, verbrachte sie die erste Rennhälfte am Ende des Feldes. Als Konstanze Klosterhalfen eine massive Tempoverschärfung in der dritten Runde startete, reagierte die 24-Jährige gelassen, arbeitete sich langsam nach vorne und wendete in der letzten Runde mit einem tollen Steigerungslauf das Blatt. Mit der Schwedin Meraf Bahta im Schlepptau überquerte sie die Ziellinie in einer Zeit von 4:03,77 Minuten als schnellste Läuferin des zweiten Halbfinallaufs die Ziellinie.
Laura Muir nährt britische Hoffnungen
Hassan war aber nicht die einzige der Medaillenfavoritinnen, die souverän ins Halbfinale aufstieg, obwohl das Tempo in beiden Läufern erwartungsgemäß beachtlich war. Olympiasiegerin Faith Kipyegon setzte sich im ersten Halbfinale in einer Zeit von 4:03,54 Minuten knapp vor Lokalmatadorin Laura Muir durch. „Das war ein schneller Halbfinallauf. Ich habe noch Reserven für das Finale, aber das Starterfeld ist ungemein stark“, analysierte die 24-Jährige im Eurosport-Interview. Das britische Publikum bejubelte auch einen zweiten heimischen Finaleinzug durch Laura Weightman. Europameisterin Angelika Cichocka und Caster Semenya hatten ebenfalls keine Schwierigkeiten, mit guten Schlussspurts das Finale am Montagabend zu buchen.
Taktisches Fiasko für Konstanze Klosterhalfen
Der in dieser Saison gestartete Höhenflug von Konstanze Klosterhalfen hat im WM-Halbfinale von London ein schmerzhaftes Ende gefunden. Als Achtplatzierte des zweiten Halbfinallaufs hatte sie keine Chance auf einen der zwölf Finalplätze und kann nun ein Rennen analysieren, aus dem sie viel lernen kann. Denn die junge Deutsche, vor wenigen Wochen noch souveräne U23-Europameisterin in Bydgoszcz wendete exakt jene Taktik an, die ihr am Vortag im Vorlauf bereits beinahe zum Verhängnis geworden wäre. Sie ging zu Rennmitte mit einer entschlossenen Tempoverschärfung alleine an die Spitze und versuchte als Solistin so viel Vorsprung zu erarbeiten, um die Konkurrenz vorentscheidend zu distanzierte. Der Vorsprung war noch groß, als die Glocke ertönte, der Weg aber lang. 250 Meter vor dem Ziel zogen Hassan und Bahta vorbei, auf der Zielgerade war die 20-Jährige ein Spielball der Konkurrenz und kam zur bitteren Erkenntnis, dass eine Sportlerkarriere nicht nur Schokoladenseiten kennt. Vielleicht hat der jugendliche Leichtsinn die Qualität eines WM-Halbfinalfeldes sträflich unterschätzt. Die Taktik, die bei diversen deutlich schwächer besetzten Rennen (auch in der Diamond League in Rom) Erfolg und schnelle Zeiten brachte, entpuppte sich in London als ein glatter Fehler. Ein WM-Debüt bietet eine Menge wichtiger Erfahrungen, in diesem Falle einen Anstoß, sich in der Zukunft mit einem taktischen Plan B auseinanderzusetzen.
Hanna Klein sensationell im Finale
Was Klosterhalfen misslang, gelang überraschend ihrer Landsfrau Hanna Klein im ersten Halbfinallauf. Vom Lauf der 24-Jährigen kann sich die höher eingeschätzte Klosterhalfen eine Scheibe abschneiden, denn Klein bewies taktisches Geschick. Von Anfang an hielt sie sich gegen die stärker einzuschätzende Konkurrenz am Ende des Feldes auf, verlor aber zu keiner Zeit den Kontakt zur Gruppe, die von der Tempogestaltung der Britin Jessica Judd profitierte. Als im Finale die Post abging, beschleunigte auch Klein und sicherte sich mit einem formidablen Schlussspurt den fünften Platz hinter Kipyegon, Muir, Semenya und Cichocka.
Zwei blaue Augen für Genzebe Dibaba
Während auch Ex-Weltmeisterin Jennifer Simpson in ihrer unauffälligen Art locker den Sprung ins Finale schaffte – als einzige US-Amerikanerin übrigens – lieferte Genzebe Dibaba die große Enttäuschung des Tages ab. Die Äthiopierin, deren ältere Schwester Tirunesh gut eine Stunde später die Silbermedaille gewann (siehe RunAustria-Bericht), hielt sich im ersten Halbfinallauf lange in guter Position auf. Als das Finale eingeläutet wurde, konnte die zu dieser Zeit mit angestrengtem Gesicht laufende Titelverteidigerin nichts zusetzen und verpasste einen der fünf direkten Qualifikationsplätze fürs Finale in einer Zeit von 4:05,33 Minuten klar. Doch die Weltrekordhalterin hatte Glück und zitterte sich wie die Marokkanerin Rababe Arafi über die Zeitregel ins Finale, wo sie sich erheblich steigern muss, um um die Medaillen mitlaufen zu können. Bei derartig viel Klasse im zwölfköpfigen Finale ist am Montagabend ein sportliches Feuerwerk zu erwarten.
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