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„Ohne Rudisha wird es ein ganz anderes Rennen. Sein Fehlen eröffnet vielen Athleten eine Medaillenchance, die mit ihm im Rennen keine hätten.“ Diese Worte sprach der Franzose Pierre Ambroise Bosse bei der Auftakt-Pressekonferenz des französischen Teams in London. Gut gebrüllt,…
„Ohne Rudisha wird es ein ganz anderes Rennen. Sein Fehlen eröffnet vielen Athleten eine Medaillenchance, die mit ihm im Rennen keine hätten.“ Diese Worte sprach der Franzose Pierre Ambroise Bosse bei der Auftakt-Pressekonferenz des französischen Teams in London. Gut gebrüllt, Löwe!
Dass aber ausgerechnet er der große Nutznießer im Finale sein könnte, hat er wohl selbst nicht für möglich gehalten. Pierre Ambroise Bosse sorgte für eine der größten Sensationen im Verlauf der 16. IAAF Leichtathletik-Weltmeisterschaften in London und führte vor Adam Kszczot einen furiosen Doppelsieg der Europäer an. Dass Gold und Silber auf dem Alten Kontinenten belieben, hatte es nur bei der Premieren-WM in Helsinki gegeben, als der Deutsche Willi Wülbeck vor dem Holländer Rob Druppers triumphierte.
Die Unbekümmertheit als Trumpf
„Ich weiß gar nicht, was hier passiert ist. Das war mein Tag des Glücks heute. Unglaublich! Ich habe mich selbst überrascht und ich glaube ich habe alle da draußen überrascht“, war der 25-Jährige im Siegerinterview bei Eurosport völlig durch den Wind. Eine Verletzung im Mai und eine anschließende Trainingspause waren alles andere als optimale Voraussetzungen für ihn. Erst Ende Juni lief er erste kleinere Wettkämpfe in Frankreich und brachte sich über die Diamond League Meetings in Paris und Monaco in Form. Im Halbfinale half es, dass er im schnellsten Lauf steckte und über die Zeitregel ins Finale kam. Dort bestrafte er die Konkurrenz, die ihn vielleicht nicht wirklich auf der Rechnung hatte, mit einem wahrhaft goldenen Lauf. Manchmal ist der Sport seltsam: Gerade Pierre Ambroise Bosse, der in der Vergangenheit bei Europameisterschaften große Probleme hatte, dem Erwartungsdruck standzuhalten und mehrfach scheiterte, lief in London unbekümmert zum Triumph. In einer Zeit von 1:44,67 Minuten war er der verdiente Sieger und holte Gold für Frankreich in einer Disziplin, in der die Grande Nation noch nie etwas gerissen hat. Bisher war Bosses fünfter Platz in Peking das beste französische Resultat im 800m-Lauf, bei Olympischen Spielen gab es einmal eine Bronzemedaille. Wie es der Zufall so will, bei den Spielen 1948 in London durch Marcel Hansenne. „Ich habe das Rennen heute dank meiner Entschlossenheit und dank meiner Psyche gewonnen. Nicht dank meiner Beine oder meiner Stärke“, stellte der Sieger fest, der sich wunderte, dass im Finale kein Konkurrenz mehr an ihm vorbeizog.
Goldene Taktik
Das Rennen seines Lebens begann für den ohne Druck ausgestatteten Pierre Ambroise Bosse gemütlich. Während sich Brandon McBride und der Brasilianer Thiago André, am Ende auf den letzten beiden Positionen, um die Führung stritten und die Favoriten sich dahinter einordneten, verbrachte der Franzose die erste Runde im Hinterfeld. Diese wurde in flotten 50,78 Minuten abgeschlossen, die Erwartungen eines langsamen Finals sollten sich nicht erfüllen. Mehrmals versuchte der vermeintliche Favorit Nijel Amos in die beste Position zu gelangen, doch dem Olympia-Zweiten von 2012 fehlte die Souveränität. Er wirkte nervös, als er bemerkte, dass ihm an diesem Abend nicht viel gelang. Am Ende wurde er noch vor Ex-Weltmeister Mohammed Aman Fünfter, resignierte jedoch bereits weit vor der Ziellinie. Angesichts der relativ schnellen Durchgangszeit bei Halbzeit ist es erstaunlich, dass nur zwei Läufer unter 1:45 Minuten blieben – nicht unbedingt ein Zeuge des hochklassigsten Rennens aller Zeiten.
Besser lief es für den Kenianer Kipyegon Bett, der Amos gleich mehrmals die Tür zuschlug und auf der Gegengerade in Führung ging. Kurz vor dem Einbiegen in die letzte Kurve breschte plötzlich Pierre Ambroise Bosse außen vorbei und wieder reagierte Amos zu spät und war kurz eingeklemmt. Der Franzose ging in Führung und hatte ausgangs der Kurve einen beträchtlichen Vorsprung. Auf der Zielgerade ließ sich der neue Überraschungs-Weltmeister die Butter nicht mehr vom Brot nehmen.
Wundersamer Spurt von Kszczot
Einer war mit der flotten Renngestaltung überhaupt nicht zufrieden, Vize-Weltmeister Adam Kszczot. Dieses schnelle Tempo von Beginn an hat der spurtstarke Pole in diesem Jahr nicht drauf. Auf der Gegengerade lag er bereits abgeschlagen am Ende der Gruppe, doch der zweifache Europameister blieb geduldig. 150 Meter vor dem Ziel, als er bereits einen großen Rückstand hatte, zündete er seinen gefürchteten Schlussspurt und zog auf der Außenbahn noch fast am gesamten Feld vorbei. Dank dieses überragenden Finals holte der Pole wie in Peking vor zwei Jahren die Silbermedaille. Auch er blieb unter 1:45 Minuten und wie Bosse war dieses Rennen sein schnellstes im laufenden Kalenderjahr, das für ihn trotz eines Sieges in der Diamond League am Saisonbeginn nicht gerade mit traumhaften Resultaten übersät war. Dennoch ärgerte sich der Pole laut einem Zitat auf der Website der IAAF, dass er nicht früher beschleunigt hat. Das habe ihm am Ende die Goldmedaille gekostet. Dennoch erzielte er Historisches: Erst als Fünfter 800m-Läufer gewann er zwei WM-Medaillen in Folge, das gelang zuletzt dem kenianischen Weltmeister von 2007, Alfred Yego.
Langford nicht belohnt
Die dritte Medaille sicherte sich Kipyegon Bett, der damit die Ehre der Kenianer rettete. Dem amtierenden Junioren-Weltmeister gelang mit diesem Auftritt ein nahtloser Übergang zu den Senioren. Auch wenn der einzige kenianische Finalist nicht gewinnen konnte, zeigte er ein gutes Rennen. „Perfekt!“, analysierte der mit 19 Jahren und 189 Tagen nun jüngster WM-Medaillengewinner in dieser Disziplin aller Zeiten kurz und knapp. Am Ende musste er durchaus von Glück reden, dass er nicht vom Stockerl fiel. Mit einem sensationellen Schlussspurt kam nämlich Lokalmatador Kyle Langford auf der Außenbahn angestiefelt. Hätte das Rennen noch zehn Meter mehr hergegeben, hätte der 21-Jährige eine Medaille geholt. So blieb unter der Begeisterung des britischen Publikums erneut ein vierter Platz für Großbritannien, der aber angesichts seiner deutlichen Außenseiterrolle und einer persönlichen Bestleistung von 1:45,25 Minuten keinesfalls eine Enttäuschung war.
Ergebnis 800m der Herren
Gold: Pierre Ambroise Bosse (Frankreich) 1:44,67 Minuten Silber: Adam Kszczot (Polen) 1:44,95 Minuten Bronze: Kipyegon Bett (Kenia) 1:45,21 Minuten
4. Kyle Langford (Großbritannien) 1:45,25 Minuten
5. Nijel Amos (Botswana) 1:45,83 Minuten
6. Mohammed Aman (Äthiopien) 1:46,06 Minuten
7. Thiago André (Brasilien) 1:46,30 Minuten
8. Brandon McBride (Kanada) 1:47,09 Minuten
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