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Lange Zeit schien es so, als würde die haushohe Favoritin Caster Semenya gefordert wie schon lange nicht. Doch der Schein trog, weil die Konkurrenz alles auf eine Karte gesetzt hatte. Rund 40 Meter vor dem Ziel übernahm die Südafrikanerin auf…
Lange Zeit schien es so, als würde die haushohe Favoritin Caster Semenya gefordert wie schon lange nicht. Doch der Schein trog, weil die Konkurrenz alles auf eine Karte gesetzt hatte. Rund 40 Meter vor dem Ziel übernahm die Südafrikanerin auf der Außenbahn strammen Schrittes erstmals die Führung und lief trotz der Kürze der Distanz zur Ziellinie einen beachtlichen Vorsprung heraus, weil Francine Niyonsaba und Ajee Wilson innen nur noch darum kämpften, so gut wie möglich das Ziel zu erreichen. Am Ende hatte Caster Semenya sportlich keine Fragen aufgeworfen, für die Zukunft des Sports in Sachen Testosteron (siehe RunAustria-Bericht) dagegen keine aus dem Weg geräumt. Den dritten WM-Titel nach 2009 und 2011 (nach Disqualifikation der des Dopings überführten Mariya Savinova) erzielte die 26-Jährige in einem neuen Landesrekord. Mit einer persönlichen Bestleistung von 1:55,16 Minuten ist die Südafrikanerin nun die Nummer acht der ewigen Weltbestenliste, schneller als die bis dato Rekord-Weltmeisterin Maria de Lourdes Mutola, die wie Semenya drei WM-Titel gewann. „Dieser Titel in diesem Stadion und vor diesem Publikum ist ein ganz spezieller“, kommentierte die Südafrikanerin.
Hohes Tempo von Beginn an
Auch wenn das Thema Testosteron diese Disziplin spätestens seit dem Saisonstart 2016 kräftig mitbestimmt – für zwei Minuten konzentrierte sich im wie jeden Abend voll besetzten Olympiastadion von London alles auf das sportliche Vorgehen im achtköpfigen Finalfeld, in dem auch eine Britin steckte. Doch die schottische Lokalmatadorin Lynsey Sharp spielte keine Rolle und wurde am Ende Letzte. Der entschlossene Kampf um die Führungsposition ausgangs der ersten Kurve demonstrierte, dass die US-Amerikanerin Ajee Wilson und Olympia-Silbermedaillengewinnerin Francine Niyonsaba ein schnelles Rennen anstrebten. Gemeinsam nahmen sie das Zepter in die Hand und es wurde schnell. Die Durchgangszeit der Hallen-Weltmeisterin von 2016 lag knapp unter 58 Sekunden und gemeinsam mit der Hallen-Vize-Weltmeisterin hielt das Duo auch auf der Gegengerade hoch. Normalerweise nimmt hier Caster Semenya das Zepter in die Hand, doch dieses Mal musste die Südafrikanerin erst eine kleine Lücke zulaufen, die aufgrund des rasanten Laufs entstanden war.
Trio geprengt
Ausgangs der letzten Kurve lagen immer noch Niyonsaba und Wilson vorne, es begann der Schlussspurt. Die US-Amerikanerin, deren WM-Start durch einen nicht unumstrittenen Freispruch trotz einer positiven Dopingprobe kurz vor den US-Trials ermöglicht wurde, konnte auf den letzten Metern nicht ganz mithalten. Aber ihr gelang es, das übliche Trio an der Spitze zu sprengen und die Kenianerin Margaret Wambui auf Rang vier zu verweisen. Da dies in den letzten Monaten so selten vorkam, ist der Gewinn der Bronzemedaille durchaus etwas Besonderes, auch wenn er aufgrund der Vorleistungen nicht ganz überraschend kam. „Wenn man in einem so starken Feld eine Medaille gewinnt, kann man sich nicht beschweren“, fand auch die 23-Jährige. Und für Francine Niyonsaba lief alles wie immer: Sie gab alles, griff an, lief aktiv von vorne und hatte am Ende trotz einer starken Leistung das Nachsehen. Rang zwei und Silber wie in Rio und wie bei so vielen Top-Meetings, bei der sie nur die Spitze des Teilnehmerinnenfeldes als Spielball für die überlegene Caster Semenya darstellte. Auch wenn Niyonsaba leicht frustriert wirkte, obwohl sie behauptete, glücklich zu sein, es war die erste WM-Medaille für Burundi über 800m. Die USA war zum vierten Mal auf dem Podest vertreten.
Semenya überlegen
Auf den letzten Metern demonstrierte Caster Semenya noch einmal, warum sie diese Disziplin so beherrscht und nun seit 29 (!) Rennen ungeschlagen ist (inkl. Vorläufe bei Olympia und WM). Sie ist eine Klasse stärker als alle anderen und schickte eine gepfefferte Ansage hinterher: „Ich denke, das war das einfachste Rennen, das ich je gelaufen bin. Ich hatte alles im Griff!“ Und: „Ich denke, das war erst der Anfang. Ich habe noch viele Träume, die ich realisieren möchte.“ Sie hat sowohl auf der Bahn als auch verbal ihre Position offensiv dargelegt und mit der Goldmedaille um den Hals Aussagen mit Nachdruck hinterhergeschickt. Die zukünftige Gestaltung des Frauensports und insbesondere des 800m-Laufs liegt nicht in ihrer Hand. Rechtzeitig vor dem Finallauf hat IAAF-Präsident Sebastian Coe noch einmal bekräftigt, dass der Weltverband eine baldige Lösung vorlegen wird. Fakt ist: Semenya verlässt London wie ihre Laufkollegen Mo Farah und Almaz Ayana mit zwei Medaillen: der Goldenen über 800m und der Bronzenen im 1.500m-Lauf.
Rest des Feldes in der Statistenrolle
Sie sind es aus Rio gewohnt: Abgesehen von Wilson, die bei den Olympischen Spielen 2016 noch im Halbfinale gescheitert war, sich aktuell aber in der Form ihres Lebens befinden, war der Rest des Teilnehmerfeldes zu Statisten degradiert. Die Kanadierin Melissa Bishop, in Rio Vierte, lief erneut ein starkes Rennen und wurde Fünfte. Um ein Haar hätte auch sie die Kenianerin besiegen können. Angelika Cichocka, die durchaus überraschend ins Finale gekommen war, untermalte ihre tolle Form mit einer persönlichen Bestleistung von 1:58,41 Minuten auf Platz sechs. Es ist die beste polnische Platzierung ind er WM-Geschichte über 800m vor Joanna Jozwick, die vor zwei Jahren Siebte wurde und heuer im Halbfinale scheiterte. Auch Charlene Lipsey und Lynsey Sharp blieben unter 1:59 Minuten. Das hat es in der Geschichte von Leichtathletik-Weltmeisterschaften erst einmal gegeben, vor 18 Jahren in Sevilla.
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