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Rio 2016: Massive Kritik am Anti-Doping-Kontrollsystem
Es sei das schlechteste Anti-Doping-Kontrollsystem in der Geschichte der Olympischen Spiele. Zu dieser Erkenntnis kommt die britische Tageszeitung „Daily Telegraph“. Diese Schlagzeile in der zweiten Woche der Spiele von Rio ließ aufhorchen. Ein Anti-Doping-Kämpfer wurde mit den Worten „Das ist…
Es sei das schlechteste Anti-Doping-Kontrollsystem in der Geschichte der Olympischen Spiele. Zu dieser Erkenntnis kommt die britische Tageszeitung „Daily Telegraph“. Diese Schlagzeile in der zweiten Woche der Spiele von Rio ließ aufhorchen. Ein Anti-Doping-Kämpfer wurde mit den Worten „Das ist bei weitestem das Schlimmste, was ich je gesehen habe“ zitiert. Worte, die dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) das Messer an die Brust setzen. Doch es entstand der Eindruck, dass in der heilen Sportwelt der Olympischen Spiele derartige Berichterstattung keinen Raum findet. Zumindest war von konkreten Missständen im Anti-Doping-Kampf während der Olympischen Spiele sehr wenig zu lesen oder zu hören. Und das IOC reagierte ohnehin gewohnt und betont sorgenfrei.
Volontäre in der Kritik
Am vergangenen Samstag hatte der deutsche Journalist Hajo Seppelt, der gemeinsam mit britischen Journalisten der Tageszeitung „Sunday Times“ seinen eigenen Anti-Doping-Kampf betreibt, im Rahmen der Olympia-Berichterstattung der ARD einen Auftritt im TV-Studio vor Ort. Seppelt, der den Whistleblowern Yuliya Stepanova und Vitali Stepanov 2014 jenes Sprachrohr geboten hat, das sie suchten, und damit seine investigativen Recherchen begann, erzählte von massiven Problemen bei den Kontrollen: Unverlässliche Volontäre, ein zusammengebrochenes Transportsystem der Doping-Proben, woraufhin einige internationale Dopingkämpfer frustriert abgereist sind, nachdem sie einige Proben mit dem Taxi höchstpersönlich von den Sportstätten ins WADA-Labor in Rio transportiert hatten. Dazu haben die im Anti-Doping-Kampf dringend benötigten Volontäre Athleten unprofessionell mit Zetteln im Stadion halb-öffentlich gesucht, Namen, Personen und Geschlechter verwechselt und für ein völliges Durcheinander gesorgt. In seinen Ausführungen stützte sich Seppelt auf die Informationen britischer Journalisten. Auch die Welt Anti Doping Agentur habe die genannten Probleme bereits gegenüber der ARD-Dopingredaktion bestätigt.
Chaotisch und inkompetent
Der „Daily Telegraph“ erzählte von Volotären, also freiwilligen Helfern, die entweder ihre Ausstattung gar nie abholt hätten, während der Spiele einfach verschwunden und nicht mehr aufgetaucht seien oder teilweise nur zum Mittagessen am Arbeitsplatz erschienen. „Zu Beginn der Spiele sind mit Beschwerden über das Training der Volontäre zu Ohren gekommen. Sie waren wohl nicht gut genug ausgebildet und wussten in gewissen Situationen nicht, wie sich richtig verhalten“, gab Mario Andrada, Kommunikationschef des Organisationskomitees, vor Beginn der Spiele zu. Ein gut durchdachter und organisierter Anti-Doping-Kampf hat ein anderes Gesicht, kein Zweifel! „Es ist eine maßlose Enttäuschung. Alles, was vor den Olympischen Spielen passierte, wird hier nahtlos fortgesetzt. Ich habe noch nie so einen inkompetenten Anti-Doping-Kampf gesehen“, wetterte Michele Verroken, ehemaliger Vorsitzender der Anti-Doping-Abteilung des Britischen Leichtathletik-Verbandes (UK Athletics) im „Telegraph Sport“.
IOC: Kein Problem
Wie reagierten die Offiziellen auf diese Indizien? Betont ruhig und beschwichtigend. Die Effektivität des Anti-Doping-Kampfs würde durch diese Vorfälle nicht beeinträchtigt, ließ das IOC wissen. Rund 5.000 Doping-Proben sollten in Rio gesammelt werden, der Großteil kam wohl im WADA-akkreditierten Labor an. Wie der „Daily Telegraph“ auf Basis einer Zeugenaussage berichtet, bedurfte es der Kreativität mancher Doping-Kontrolleure, dass viele Proben überhaupt den Weg zur Analyse fanden.
Der Laboranalyse selbst bescheinigte sogar Seppelt ein gutes Zeugnis, weil internationale Kontrolleure Zugang hätten. Nur die Probenentnahme sei von Problemen überhäuft. „Wir verfolgen eine Null-Toleranz-Politik gegen Doping. Ich glaube, diese Spiele sind saubere Spiele. Die Anti-Doping-Arbeit läuft, wie sie laufen soll, und es gibt absolut kein Risiko eines endemischen oder systematischen Problems“, sagte Andrada in einem Statement. Einige wenige Dopingfälle wurden bereits während der Wettkämpfe bekannt und sanktioniert. Es ist zu befürchten, dass noch einiges nachkommt.
WADA wartet mit Stellungnahme ab
Während das IOC keine Stellungnahme veröffentlichte, scharrte die Welt Anti Doping Agentur wohl mit den Hufen, als dieses zurückhaltende Statement veröffentlicht wurde: „Die WADA ist nicht in den Prozess der Dopingkontrollen in Rio integriert, außer durch eine unabhängige Beobachtungsmission. Unsere Leute werden nach den Spielen ihren Bericht vortragen. Für den Kampf gegen Doping vor Ort sind das IOC und das Organisationskomitee verantwortlich. Dementsprechend ist es nicht die Aufgabe der WADA, diesen zu kommentieren, bevor der Bericht der unabhängigen Beobachter veröffentlicht ist.“
Medaillen unter Vorbehalt
Das WADA-Statement klingt nicht unbedingt vertrauensvoll gegenüber den Anti-Doping-Kampf in Rio. Die dort gesammelten Proben werden im rechtzeitig vor den Spielen wieder akkreditierten Labor analysiert und danach nach Lausanne zur Archivierung transportiert. Zehn Jahre werden sie dort gelagert und irgendwann plangemäß erneut analyisert. Der wissenschaftliche Fortschritt der letzten Jahre hat gezeigt, dass bei den Neuanalysen der Proben von Peking 2008 und London 2012 fast 100 der damals negativen Proben ein positives Ergebnis hatten. Wenn das IOC endlich die Namen der betroffenen Athleten freigeben würde, hätte der internationale Sport den nächsten unvermeidlichen Skandal. Und so kann das Fazit des Anti-Doping-Kampfs in Rio nur lauten, wie es Hajo Seppelt formulierte: „Spätestens 2026 werden, wie viele Athleten, die hier problemlos durch die Kontrollen gekommen sind, auch wirklich sauber sind. Medaillen sind nur unter Vorbehalt.“ Olympische Spiele 2016 in Rio de Janeiro
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