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Der Tokio Marathon der Herren ist mit einer Überraschung zu Ende gegangen und zwar aus zweierlei Perspektive. Erstens galt der Äthiopier Feyisa Lilesa nicht unbedingt als Topfavorit und zweitens schien in der Schlussphase des Tokio Marathon der Kenianer Dickson Chumba…
Der Tokio Marathon der Herren ist mit einer Überraschung zu Ende gegangen und zwar aus zweierlei Perspektive. Erstens galt der Äthiopier Feyisa Lilesa nicht unbedingt als Topfavorit und zweitens schien in der Schlussphase des Tokio Marathon der Kenianer Dickson Chumba die besseren Karten in der Hand zu halten, als Lilesa noch ein Ass aus dem Ärmel zog. Bis kurz vor dem letzten Kilometer lagen die beiden gemeinsam an der Spitze, der Äthiopier überließ seinem Konkurrenten allerdings gänzlich die Initiative. Als der 26-Jährige erstmals attackierte, war sein Konkurrent geschlagen. „Ich wusste, dass Chumba zwischen Kilometer 30 und 35 anziehen wird. Ich musste dranbleiben. Als er bei Kilometer 40 Probleme hatte, sein Tempo zu halten, schlug meine Stunde“, erzählte der Sieger später. In einer Zeit von 2:06:56 Stunden feierte Lilesa den größten Erfolg seiner Karriere.
Erster Sieg nach sechs Jahren
Obwohl er erst 26 Jahre alt ist, ist Feyisa Lilesa ein erfahrener Marathonläufer. Der Tokio Marathon 2016 stellte den bereits 17. Auftritt über die Traditionsdistanz dar. Neben einer Reihe von Spitzenplätzen stand bis dato ein Sieg zu Buche – beim Xiamen Marathon 2010. Danach erlebte er seine beste Zeit: Beim ultraschnellen Rotterdam Marathon 2010 belegte er Rang vier, bei den Weltmeisterschaften in Daegu 2011 gewann er die Bronzemedaille und in Dubai lief er 2012 eine persönliche Bestleistung in 2:04:52 Stunden. Danach wurde es etwas ruhiger um den kleinen Äthiopier, bis dieser diese Ruhe in Tokio beendete – ein verdienter Lohn für einen Mann, der bereits zum neunten Mal eine Zeit unter 2:08:30 Stunden lief. „Ich fühle mich, als hätte ich gerade ein Ticket für die Olympischen Spiele gekauft“, jubelte Lilesa. Obwohl der Olympische Marathon von Rio seine Schatten weit voraus wirft und auch beim Tokio Marathon ein bestimmendes Thema war – eine Prognose, ob Lilesa in Rio am Start sein wird, ist trotz des Sieges in Tokio wohl verfrüht.
Kenianer auf dem Podest
So war Feyisa Lilesa mitverantwortlich, dass Dickson Chumba nach Chicago nicht den zweiten Sieg im Rahmen der World Marathon Majors Serie IX erzielen und damit zu seinem Landsmann Eliud Kipchoge in der Gesamtwertung aufschließen konnte. Zieht man die Entscheidung der Renndirektoren bei den Damen in Betracht, hätte er gegen den großen Namen Eliud Kipchoge ohnehin keine Chance gehabt. Dennoch: Auch wenn Dickson Chumba in Tokio nicht gewann und auch seinen Streckenrekord nicht verbesserte, fuhr er erneut ein Top-Resultat ein und überzeugte unterwegs mit initiativer Taktik. Einen Schönheitsfehler hatte der Auftritt aber doch: Wenige Meter vor dem Ziel musste er Bernard Kipyego ziehen lassen, der nach seinen beiden Siegen beim Amsterdam Marathon sein bestes internationales Resultat erzielte.
Geplatzte Träume von Olympia
Mit einem riesigen Ausrufezeichen hätte der zweifache Weltmeister Abel Kirui den Fokus auf sich lenken wollen, um doch noch auf den Olympia-Zug der Kenianer aufzuspringen. Ein Auftritt Kiruis in Rio wäre aber ein sportliches Weltwunder, wenngleich der Routinier seinen besten Marathon seit Jahren absolvierte, was aber ein eindeutiger Hinweis auf sein aktuelles Niveau ist: Rang fünf in einer Zeit von 2:08:06 Stunden. Sich ebenfalls von Olympischen Ambitionen verabschieden müssen sich Eliud Kiptanui und Emmanuel Mutai. Der Zweitplatzierte des Berlin Marathon 2015 wurde Sechster, der zweitschnellste Läufer aller Zeiten (als Zweiter hinter Weltrekordhalter Dennis Kimetto in Berlin 2014, Anm.) hinkt Mutai meilenweit hinter seiner damaligen Verfassung hinterher. Seit der Wunderzeit von 2:03:13 Stunden hat er in drei Versuchen nur einmal die 2:10-Stunden-Marke geknackt, auch nicht in Tokio, wo er als Siebter ins Ziel kam.
Mittelmäßige Generalprobe
Intakt sind dagegen die Olympia-Chancen des Olympiasiegers von London. Stephen Kiprotich muss sich in Uganda keine Gedanken über eine Qualifikation machten. Angesichts seiner Leistungsfähigkeit bei City-Marathons war der Auftritt in Tokio nicht einmal schlecht, denn das unregelmäßige Tempo, das sich wie ein roter Faden durch das Rennen zog, war kein Vorteil für den Mann, der in taktischen Rennen so fantastische Finals liefern kann. Rang vier in einer Zeit von 2:07:46 Stunden lassen erahnen, dass Kiprotich bei den Olympischen Spielen zu beachten sein wird.
Japan und die Jagd nach Limits ohne Erfolgschancen
Die Jagd nach Olympia-Normen ist in diversen Ländern eine diskutable. Über verschärfte Normen in Deutschland (mittlerweile geändert) oder den Niederlanden ist ausreichend diskutiert worden. Die Normen in Japan setzen dem noch die Krone auf und sind schlichtweg absurd. Nur jene Läufer, die eine Zeit von 2:06:30 Stunden unterbieten, haben ein fixes Ticket in der Tasche, alle anderen werden nach drei Qualifikationsrennen ausgewählt. Tokio ist eines dieser Rennen, die Qualifikationsmarke unterbot nicht einmal der Gesamtsieger – und in der japanischen Marathon-Historie überhaupt erst einer, der Landesrekordhalter Toshinari Takaoka vor 14 Jahren. An dieser utopischen Hürde zerschellten alle japanischen Hoffnungen, da die Gruppe der japanischen Top-Läufer zu schnell ins Rennen ging. Einen noch größeren Schuss in den Ofen leistete sich Debütant Kenta Murayama, der den ersten Halbmarathon in einer Zeit von 1:02:53 Stunden gemeinsam mit der Spitze absolvierte und danach wie erwartet vom „Mann mit dem Hammer“ getroffen wurde. Als bester kam Yuki Takamiya auf Rang acht ins Ziel, für einen Lichtblick sorgte der erst 19 Jahre alte Yuta Shimoda, der in einer Zeit von 2:11:34 Stunden einen neuen Junioren-Landesrekord für Japan aufstellte.
Eine endgültige Entscheidung über die japanischen Startplätze bei den Olympischen Spielen gibt es nach dem dritten und letzten Qualifikationsrennen, dem Lake Biwa Marathon am kommenden Wochenende.
Ergebnis Tokio Marathon der Herren
1. Feyisa Lilesa (ETH) 2:06:56 Stunden
2. Bernard Kipyego (KEN) 2:07:33 Stunden
3. Dickson Chumba (KEN) 2:07:34 Stunden
4. Stephen Kiprotich (UGA) 2:07:46 Stunden
5. Abel Kirui (KEN) 2:08:06 Stunden
6. Eliud Kiptanui (KEN) 2:08:55 Stunden
7. Emmanuel Mutai (KEN) 2:10:23 Stunden
8. Yuki Takamiya (JPN) 2:10:57 Stunden
9. Javier Guerra (ESP) 2:11:01 Stunden
10. Yuta Shimoda (JPN) 2:11:34 Stunden Tokio Marathon
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