Mitten im ersten großen Marathon-Wochenende des Frühlings 2018 mit den Klassikern in Paris, Rotterdam oder Rom standen am vergangenen Wochenende auch einige prestigeträchtige Halbmarathonläufe auf dem Programm. Zum Start der RunCzech Running Series 2018 besuchte ich den Halbmarathon in Prag, der seinen 20. Geburtstag gefeiert hat. Der Italiener Carlo Capalbo, Vorsitzender der Kommission für Straßenläufe bei der IAAF, ist in den 90er Jahren in die damals politisch neu formierte Tschechische Republik gekommen und fand, was die Laufszene betraf, ein braches Land mit großem Potenzial vor. Eine günstige Ausgangslage, um wachsende Laufevents zu kreieren und diese mit ständigen Erweiterungen zu einer Serie zusammenzufassen. Fast nach dem Vorbild einer Meisterschaft.
Wundersame Leistungen
Ich war schon mehrmals Gast bei zur RunCzech Running Series gehörenden Events, die in den letzten Jahren regelmäßig mit erstaunlichen Spitzenleistungen für Aufsehen sorgten. Besonders in Prag, wo in den letzten Jahren Weltklassezeiten am laufenden Band produziert worden sind. Der Gipfel: Joyciline Jepkosgei im vergangenen Jahr den Halbmarathon-Weltrekord torpedierte und als erste Frau unter 1:05 Stunden lief. Ich freute mich darauf, vor Ort zu beobachten, welche Rahmenbedingungen sie dort für ihre Superleistung vorgefunden hat.
Schnelle Strecke und schnelle Talente
Die Beschaffenheit der Strecke in Prag wird oft falsch eingeschätzt. Ich habe das Rennen aus dem Media-Car beobachtet, das direkt vor der Spitze den Halbmarathon absolvierte. Trotz einiger Brücken und Unterführungen würde ich die Strecke als eine einschätzen, auf der schnelle Zeiten sehr wohl möglich sind. Die perfekte Organisation eines Teams, das ganzjährig intensiv zusammenarbeitet und alle Events abdeckt, sorgt für optimale Rahmenbedingungen. Und die Athletinnen und Athleten, viele vom RunCzech Running Team verpflichtet, haben ihre Klasse schon häufig nachgewiesen. Selten brachten sie nicht die erhoffte Leistung. Top-Stars der Szene genauso wie Newcomer und talentierte Zukunftshoffnungen.
Sieben Golden Label
Wenn irgendwo schnelle Zeiten gelaufen werden, wird das rasch in Frage gestellt. Das hat im Laufsport fast Tradition und das ist auch im Falle des Prag Halbmarathon so. Carlo Capalbo verweist auf das Golden Label, das alle seine sieben Laufevents vom Leichtathletik-Weltverband verliehen bekamen. Das Golden Label ist die höchste Auszeichnung für Straßenläufe und ein Qualitätssiegel, das an der Einhaltung strenger Regeln und Kriterien hängt. Die oft als wundersam wahrgenommenen Leistungen beim Prag Halbmarathon erklärt er mit der Qualität des Events. Man darf außerdem nicht vergessen: Joan Melly und Caroline Kipkirui sind vor zwei Monaten beim RAK Marathon bereits Weltklassezeiten gelaufen. Das heißt, sie haben dieses Niveau bereits unter Beweis gestellt.
Prag deutlich schneller als Berlin
Am Wochenende gab es zwei sensationelle Halbmarathon-Leistungen: Jene von Joan Melly in Prag und jene von Erick Kiptanui in Berlin. Kiptanuis Solo in Berlin war eine Sternstunde, die alles überstrahlt. Im direkten Vergleich der beiden Events steht der Berliner Halbmarathon, rein die Qualität der Elitefelder betreffend, klar im Schatten des Prag Halbmarathons. Von der Platzierungen in den Top-Ten der Männer und Frauen war im direkten Vergleich in 19 von 20 Fällen der oder die Läuferin in Prag deutlich schneller – einzige Ausnahme die Siegerleistung bei den Herren.
Apropos Halbmarathon und Deutschland: Man stelle sich vor, der DLV trägt seine Meisterschaften im Halbmarathon am Tag des Berliner Halbmarathon aus, aber nicht in Berlin, sondern in Hannover. Und die besten deutschen Läuferinnen und Läufer laufen nicht bei den Meisterschaften in Hannover, sondern in Berlin und erzielen bessere Leistungen als jene Athleten, die zeitgleich in Hannover mit einer Medaille dekoriert werden. Nicht vorstellbar? Doch.