Das große RunAustria-Interview mit Nada Ina Pauer und Richard Ringer

© CrossAttack / Alexander Schwarz

Am Tag vor der CrossAttack 2017 hat RunAustria das deutsch-österreichische Läuferpaar Nada Ina Pauer und Richard Ringer zum großen RunAustria-Interview getroffen. In einem äußerst sympathischen Gespräch sprechen die beiden über ihre Liebe zum Laufsport, die Disziplin Crosslauf, hohe sportliche Ziele, kontinuierliche Arbeit im Training und die Harmonie zwischen Beruf und Berufung in einer harmonischen Beziehung.
 
 
RunAustria: Winterzeit ist Crosslaufzeit! Welchen Stellenwert nimmt der Crosslauf in eurem Läufer-Alltag ein?
Nada Pauer: Einen hohen Stellenwert. Der Cross ist eine sehr gute Vorbereitung auf die Wettkämpfe im Frühjahr. Durch das Training im Wald und auf verschiedensten Untergründen schult der Crosslauf die Koordination, die allgemeine Beweglichkeit, durch die abwechselnde Trainingsgestaltung irrsinig gut die Ausdauerbasis und allgemein die Kraft-Ausdauer. Wir sind beide immer gut damit gefahren, den Cross in unser Training aufzunehmen.
Richard Ringer: Der Crosslauf hat einen großen Vorteil: Du musst nicht aus dem normalen Training herausnehmen, sondern nimmst die Wettkämpfe, wie sie kommen. Was ich besonders interessant finde, ist das Teilnehmerfeld. Hier laufen nicht maximal 20 Leute hinter einem Pacemaker her, sondern es geht knallhart Mann gegen Mann. Gerade bei Europameisterschaften treffen über alle Altersklassen mehrere hundert Athleten aus allen Nationen aufeinander und alle sind Läufer. Das ist ein großer Unterschied zu üblichen Meetings, wo es die disziplinenspezifischen Unterschiede gibt. Das bringt einen attraktiven Erfahrungsaustausch innerhalb der Läufergemeinde. Außerdem ist interessant, dass zahlreiche Laufdisziplinen von den 800m bis zum Marathon und sogar immer mehr Triathleten in einer Disziplin zusammenkommen. Das bietet eine unheimlich spannende sportliche Herausforderung, auch weil man nie so genau weiß, wer im Winter wie gut in Form ist.
 

© CrossAttack / Alexander Schwarz
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RunAustria: Der ÖLV vergibt im morgigen Frauen-Rennen vier Startplätze für die Crosslauf-EM. Du gehörst zum Favoritinnenkreis auf den Gesamtsieg. Mit welchen Erwartungen gehst du ins Rennen?
Nada Pauer: Ich freue mich sehr auf das Rennen. Ich war im November noch nie in einer so guten Form wie heuer. Das liegt vor allem daran, dass ich noch nie so gut durchtrainieren konnte wie in den letzten anderthalb Jahren. Daher gehe ich mit ziemlich großer Zuversicht ins Rennen, weil ich darauf vertrauen kann, dass ich das, was wir im Training geübt haben, gut abrufen kann.

Ich war im November noch nie in einer so guten Form wie heuer.

 
RunAustria: Der DLV ist durchaus bekannt dafür, dass er von seinen Athleten knackige Qualifikationsnormen fordert. Um zur EM zu fahren, musst du in Tilburg nächstes Wochenende in die Top-Ten laufen. Das heißt, die CrossAttack ist deine Generalprobe…
Richard Ringer: Ja genau. Vor allem ist es für mich ein Testrennen, wie sich mein Körper drei Tage nach der Rückkehr aus dem Höhentrainingslager anfühlt. Ich bin am Mittwoch aus einem dreiwöchigen Trainingslager in Südafrika zurückgekommen. Das war erst mein zweites Trainingslager in der Höhe insgesamt, deswegen ist das morgige Rennen ein sehr willkommener Test, der sich durch die geographische Nähe angeboten hat – zumal es ein Rennen mit EA-Status ist, was eine gewisse Qualität garantiert.
Top-Ten in Tilburg ist echt eine knackige Quali, weil das Event auf der neuen EM-Strecke von 2018 große Ungewissheiten bringt. Das Feld wird daher deutlich stärker sein als in den letzten Jahren, aber ich bin gezielter vorbereitet als 2016. Daher bin ich frohen Mutes, dass es erstens morgen ein super Wettkampf wird und zweitens dann in Tilburg.
 
 
RunAustria: Kannst du deine Erwartungshaltung konkretisieren?
Richard Ringer: Klar, morgen will ich schon gewinnen. Eigentlich will ich immer gewinnen. Ich will auch bei der Crosslauf-EM, sofern ich die Quali schaffe, eine Medaille holen. Ich war schon 2013 Siebter, das war damals das beste Ergebnis in der DLV-Geschichte, in der Zwischenzeit habe ich zweimal EM-Bronze geholt – einmal indoor, einmal draußen, da schielt man schon auf Edelmetall. Aber: Bei Crosslauf-Europameisterschaften ist immer etwas Ungewisses dabei, wer welchen Fokus auf dieses Event legt. Da muss ich mich mit einer Konkurrenz auseinandersetzen, die ich normalerweise auf der Bahn gar nicht habe. Es gibt Nationen, die haben extra Kader formiert und Förderungen bestimmt, gezielt für den Crosslauf. Da kann es dir passieren, dass du auf Platz 30 ins Ziel läuft und sagst, es war eigentlich ok. Mein Anspruch ist es, da vorne mit dabei zu sein – ganz klar!

Es gibt Nationen, die haben extra Kader formiert und Förderungen bestimmt, gezielt für den Crosslauf.

 
RunAustria: Ihr seid seit einigen Jahren ein Paar und lebt mittlerweile gemeinsam am Bodensee. Wie lautet eure spannende Geschichte des Moments, als der Funke übergesprungen ist?
Nada Pauer: Wir haben uns bei einem Crosslauf kennengelernt, in Tilburg vor drei Jahren. Ich hatte damals hohe Erwartungen an mich und bin diesen Wettkampf damals grottenschlecht gelaufen. Leider. Aber der positive Aspekt daran war, dass Richard mich trösten konnte (lacht).
Richard Ringer: Ja, genau. Wir haben uns damals beim Abendessen kennengelernt und ich dachte erst, sie sei Amerikanerin, weil sie so gut englisch sprach. Beim Wettkampf war Nada dann, wie sie später erzählte, sehr beeindruckt, wie weit vorne ich mitgelaufen bin und im Bus beim Heimfahren habe ich mitbekommen, wie traurig sie war und daher habe ich sie im Hotel getröstet und aufgebaut. Anschließend sind wir über Facebook in Kontakt geblieben und das Lustige war, wir hatten zufällig dieselbe Wettkampfplanung für die Wochen darauf. Beim Silversterlauf in Peuersbach ist der Funke dann übergesprungen und ich war damals ohnehin im Himmel, weil ich auch noch gewonnen habe. Anschließend waren wir beide – bereits vor dem Kennenlernen geplant – zwei Wochen lang gemeinsam auf Trainingslager in Monte Gordo. Da hat sicher das Schicksal ein bisschen mitgeholfen.
 
 
RunAustria: Das Thema Laufen mit allem drum und dran ist natürlich in eurem Alltag vorherrschend. Ist das auch zu Hause so oder begebt ihr euch komplett in einen anderen Modus, wenn die Haustür hinter euch ins Schloss fällt?
Nada Pauer: Klar haben wir auch noch ein normales Privatleben, wo man sich Sachen aus dem Job erzählt oder was gerade auf der Welt passiert. Richard interessiert sich sehr dafür, was ich juristisch mache und ich kann das auch mit ihm besprechen. Das ist sehr wichtig für mich und ich schätze das sehr, dass man auch links und rechts vom Laufen etwas hat und nicht in einer Matrix lebt (lacht). Dadurch, dass wir beide das Laufen so sehr lieben, wenden wir sehr viel Zeit dafür auf. Es ist keineswegs Verpflichtung, wir beschäftigen uns sehr gerne mit Laufen.
Richard Ringer: Wir gehen beide einem Job nach und natürlich reden wir viel darüber, auch zu Hause. Aber klar, Laufen ist das Wichtigste und es gibt immer so viel darüber zu erzählen. Wir sind beide über soziale Netzwerke mit vielen anderen Athleten connected. Da sammelt man über den Tag viele Informationen und es ist lustig, wenn die Partnerin dasselbe auch schon gehört hat und man kompetent darüber sprechen kann.

Ich profitiere enorm von Richards Erfahrungsschatz. Auf seine Ratschläge kann ich mich 100% verlassen.

 
RunAustria: Wie profitiert ihr als Läufer gegenseitig vom jeweilig anderen am meisten? (Richard grinst)
Nada Pauer: Ich profitiere enorm von Richards Erfahrungsschatz, der irrsinnig wertvoll für mich ist. Dadurch, dass ich jahrelang pausiert habe, bin ich oft zu hart zu mir und Richard gibt mir die nötige Stabilität, eine Lockerheit und eine Linie. Auf seine Ratschläge kann ich mich 100% verlassen. Das hat mir sehr geholfen, als ich im vergangenen Jahr einen Trainerwechsel hatte und eine gänzlich neue Trainingsphilosophie kennengelernt habe. Es war toll für mich zu sehen, dass Richard das alles schon erlebt hat und dass es bei ihm funktioniert hat. Auch, wenn es komplett anders war, als ich es bis dato gewohnt war.
Richard Ringer: Die Motivation ist um so viel größer geworden, seit Nada und ich vor einem Jahr zusammengezogen sind. Ich gehe mit einer viel größeren Freude zum Training, dieses Gemeinsame ist so motivierend. Außerdem hilft mir Nada im mentalen Bereich sehr, besonders durch ihr Zutrauen in mich. Das war neue Impulse für mich in einer Trainingsgruppe, in der ich schon seit 13 Jahren bin (unter der Leitung von Birgit und Eckhardt Sperlich, Anm.). Außerdem profitiere ich von ihrer Küche. Nada kocht sehr gerne. Was ich da schon alles an neuen Nahrungsmitteln kennengelernt habe, hilft auch immens, alles aus dem Körper herauszuholen. Es ist generell von Vorteil, wenn der Partner die Leidenschaft, 24 Stunden fürs Laufen zu leben, teilen kann.
 
 
RunAustria: In der österreichischen Laufszene ist – auch durch die lange Verletzungspause von Jennifer Wenth – bei den Frauen ein Vakuum entstanden. Wie beurteilst du die aktuelle Situation im Mittel- und Langstreckenlauf und welche Chancen siehst du darin für dich persönlich?
Nada Pauer: Mir ist klar, dass Jenni ein Loch aufgerissen hat. Aber, sie hat auch davon profitiert, dass sie sich über Jahre hinweg langsam und kontinuierlich verbessert hat. Ich hatte leider nie dieses Glück, dass es bei mir über einen längeren Zeitraum so gut geklappt hat. Ich bin jedoch sehr optimistisch, dass mir das in den nächsten Jahren gelingen kann. Ich bin voll motiviert. Im Laufsport gibt es, soweit man sauber arbeitet – und das tun wir – keine Geheimnisse außer Kontinuität, Kontinuität und Kontinuität. Das braucht ein paar Jahre, das habe ich auch bei Richard gesehen. Daher mache ich mir jetzt keinen Druck.
Ich beobachte die österreichische Laufszene und da sind mir zwei Mädels aufgefallen: Das ist einerseits Anna Baumgartner, die noch sehr jung ist. Mir ist schon vor Jahren aufgefallen, wie ästhetisch schön sie läuft. Sie hat definitiv das richtige Körpergefühl fürs Laufen! Und die zweite ist Cornelia Moser. Sie ist bisher vom ÖLV weitestgehend ignoriert worden. Sie ist als Hobbyläuferin zur Quereinsteigerin geworden und aus dem Training heraus eine Marathon-Zeit um 2:40 Stunden gelaufen. Ich kenne sie persönlich kaum, aber ich schätze sie hoch ein. Ich würde mir wünschen, dass wir in einem Trainingslager gemeinsam etwas machen können. Ich möchte auch betonen, dass Jenni eine Freundin von mir ist und es hat mir sehr leid getan, dass sie leidet. Ich weiß, es bricht einem das Herz und man geht barfuß durch die Hölle, ohne dass jemand erkennt, wie schlecht es einem wirklich geht. Ich wünsche ihr Alles Gute, eine Bombensaison 2018 und dass wir gemeinsam zeigen können, dass Österreich gute Bahnläuferinnen hat.
 
 
RunAustria: Wenn wir die deutsche Laufszene betrachten, liegt ein offensichtlicher medialer Fokus auf den Frauen. Das liegt vor allem an Gesa Krause, Konstanze Klosterhalfen und vielleicht auch Alina Reh. Auch bei der Kadereinteilung scheint ein klarer Fokus auf den Frauen zu liegen. Warum stehen die Leistungen der Männer aktuell in ihrem Schatten und fühlst du deine persönlichen Leistungen genügend gewürdigt?
Richard Ringer: Die Kaderrichtlinien sind ist dieses Jahr gänzlich anders aufgebaut worden, der DSOB (Deutscher Olympischer Sportbund) hat die Einteilung reduziert. Das hat für mich einige Überraschungen gebracht. Ein Marcel Fehr beispielsweise ist mit einer 13:32 nicht einmal im Bundeskader (5.000m-Lauf, Anm.). Das gab es noch nie! In jedem anderen Land hätte der die größte Förderung, jetzt kriegt er einfach mal gar nichts mehr. Keinen Cent! Das versteht man nicht wirklich. Im Frauenbereich ist es dagegen so, da sind einige im Kader, da denkt man sich: ,Länger nichts mehr gehört…’
In der Öffentlichkeit inklusive Social Media sind Frauen einfach attraktiver. Sie ziehen mehr Publikum an. Sie machen auch mehr, verkaufen teilweise ihren Körper. Und ob das immer positiv ist, weiß ich nicht. Man sagt immer, wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Das hat sich ein bisschen gedreht durch diese zweite Leistungsebene, die heute überbewertet wird. Das finde ich ein bisschen schade. Ich mache jetzt auch ein bisschen mehr in sozialen Medien, aber ich habe nicht immer Lust und Zeit dazu. Ich will mich auf das Berufsleben konzentrieren, das ist mein Alltag.
 

© CrossAttack / Alexander Schwarz
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RunAustria: Welche Motive haben für dich den Ausschlag gegeben, deine Lauf-Karriere ein zweites Mal zu starten und noch einmal voll anzugreifen?
Nada Pauer: Hauptmotiv eins ist: Man ist nur einmal jung. (lacht) Ich hatte Sehnsucht an jene Zeit, als es gut gelaufen ist. Ich habe Laufen einfach immer so sehr geliebt. Auch als ich wegen arger Rückenprobleme 2008 aufhören musste. Es war ein herber Rückschlag, aber ich musste mir ein zweites Standbein aufbauen und habe mich aufs Studium konzentriert. Dann flatterten gute Jobangebote herein und ich habe mich einfach vom Laufsport wegbewegt. Aber ich wusste, ich hab das Laufen jeden Tag vermisst und als es mit dem Rücken deutlich besser ging, war mir bewusst, ich will es so sehr. Als ich mit Richard zusammengekommen bin, ist die Chance gekommen, noch einmal Gas zu geben. Es war wie Liebeskummer!
 
 
RunAustria: Du hast früher in Wien in einer Anwaltskanzlei gearbeitet, da blieb dir wenig Zeit für intensiven Laufsport. Wie gelingt die Zeiteinteilung jetzt mit deinem neuen Job an der Uni Konstanz?
Nada Pauer: Ich kann mir die Zeit jetzt selber einteilen. Und das ist der große Unterschied zur Kanzlei. Das gibt mir die Freiheit und mein Chef vertraut mir, dass meine Zeiteinteilung optimal mit der Arbeit harmoniert.

Es war wie Liebeskummer!

 
RunAustria: Wenn wir uns deine Leistungen in den letzten beiden Jahren anschauen (EM-Bronze im 5.000m-Lauf, Hallen-EM-Bronze im 3.000m-Lauf, Anm.), bist du das Paradebeispiel für ein Spagat: top auf kontinentaler Ebene, aber die globalen Finalläufe fanden ohne dich statt. Zwingt dich das in der Saisonvorbereitung zu verschiedenen Herangehensweisen, je nachdem ob der Saison-Höhepunkt ein kontinentales oder globales Event ist?
Richard Ringer: Nein. Zum Beispiel lief die Saison 2015 wie ein Schnürchen. Keiner hätte sich gedacht, dass ich das WM-Limit schaffe und dann auch noch den Sprung ins WM-Finale. In den letzten Jahren hatte ich einfach Pech mit dem Timing. Dieses Jahr war ich eine Woche vor den Weltmeisterschaften richtig krank, war drei Tage ausgeknockt und habe mich nicht vollständig erholt. Es wäre nicht schwer gewesen, ins Finale zu kommen. Normalerweise hätte ich das geschafft. In Rio wusste ich während des Laufs nicht, was los war. Am nächsten Tag bekam ich Magen-Darm-Probleme und ich lag acht Tage lang flach. Das muss nächstes Jahr definitiv besser passen, um bei der Heim-EM in Berlin vielleicht Europameister zu werden.
 
 
RunAustria: Aber ist bei dir die Vorfreude jetzt größer, weil der nächstjährige Höhepunkt ein kontinentaler ist und du da Chancen hast, ganz vorne mitzulaufen?
Richard Ringer: Die Vorfreude ist insofern höher, weil die EM in Berlin im eigenen Land stattfindet. Und, weil die letzten Saisonhöhepunkte nicht so gelungen sind. Aber die Olympischen Spiele sind immer das höchste Ziel. Eine globale Medaille wären ein Traum, aber ich möchte auch bei den großen Meetings in der Diamond League viel häufiger präsent sein. Wenn einmal an einem Tag alles zusammenpasst, bin ich überzeugt, dass ich ganz vorne dabei sein kann. Auch in der Welt. Das ist mein Anspruch. Top-Acht in der Welt zu sein, als Deutscher, als Europäer, wäre für mich bedeutender, als eine weitere EM-Medaille.

Wenn einmal alles zusammenpasst, bin ich überzeugt, dass ich ganz vorne dabei sein kann. Auch in der Welt.

 
RunAustria: Aktuell steht der Spanier Ilias Fifa, der damals in Amsterdam einen Mini-Augenblick vor dir die Zeit ausgelöst hat, unter Dopingverdacht. Wenn du solche Nachrichten liest oder hörst, wie ist deine erste spontane Reaktion darauf?
Richard Ringer: Mir ist es bisher noch nie passiert, dass ein Athlet, der vor mir ins Ziel gelaufen ist, positiv getestet wurde. Es gab schon einige hinter mir, wo ich mir gedacht habe, warum sind die Leute hinter mir gedopt? Hinter einem Läufer, der einem Teilzeitjob nachgeht? Ich weiß, ich habe noch Potenzial und habe längst nicht alles ausgereizt. Auch die Zeiten unter 13 Minuten, die schocken mich überhaupt nicht. Wenn alles optimal klappt, kann ich das vielleicht auch einmal erreichen.
Der Fall Ilias Fifa – es gab ja keinen positiven Dopingtest – ist so eine Sache. Man kennt ja die Leute und eigentlich kann man sich’s nicht vorstellen, dass der wirklich gedopt ist. Man spricht auch mit anderen Athleten darüber, aber als Sportler steht man an der Startlinie und blendet solche Gedanken sowieso aus. Diesen Fall erst recht, weil er wurde ja nicht gesperrt. Die Leistungen von ihm, insbesondere in diesem Jahr, fand ich nicht überragend. Insgesamt gibt es hat viele Skandale und ich hoffe einfach, dass es besser wird. Die Anti-Doping-Strukturen sind halt richtig schlecht! Ich finde es gut, dass es in Deutschland besser klappt als in anderen Ländern, auf der anderen Seite ist das auch traurig.

Die Anti-Doping-Strukturen sind halt richtig schlecht!

 
RunAustria: Bei deinen Leistungen im Jahr 2017 ist eine klare Aufwärtstendenz zu beobachten im Vergleich zu den Vorjahren. Was sind die hauptsächlichen Gründe für diesen Aufschwung und wohin führt dich dieser Aufschwung 2018?
Nada Pauer: Primäres Ziel ist eine gute Unterdistanz-Geschwindigkeit. Ich traue mir zu, bald einen 5.000er unter 16 Minuten zu laufen. Ich weiß, welche Umfänge ich vor einem Jahr trainiert habe und jetzt, das ist deutlich mehr. Wir haben zwei längere Trainingslager geplant und ich weiß, was in diesen Wochen möglich ist. Wenn ich verletzungsfrei durchkomme, wird ein weiterer Sprung gelingen.
 
 
RunAustria: 15:40 Minuten lautet das ÖLV-Limit für Berlin im 5.000m-Lauf. Inwiefern beschäftigst du dich mit dieser Zahl?
Nada Pauer: Ich schiele schon darauf hin. Berlin wäre für mich der Traum schlechthin, mit Richard zusammen.
Richard Ringer: Nada ist die dafür nötigen Zwischenzeiten über 3.000m schon gelaufen. Ich sehe es bei mir, die einzelnen Kilometerabschnitte über 3.000m und 5.000m, da ist kein so großer Unterschied. Sie kann’s schon schaffen!
Nada Pauer: Es muss das Rennen passen. Ich liebäugle mit dem 5.000m-Lauf. Die 33:20 im 10.000m-Lauf sind Plan B, auch nicht ganz unrealistisch.
 

© CrossAttack / Alexander Schwarz
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RunAustria: Du bist EM-Medaillengewinner – indoor wie outdoor – in der weltumspannendsten Sportart überhaupt, gehst daneben aber noch einem Beruf nach. Wie passt das zusammen und welche Rahmenbedingungen bräuchtest du, um als Vollprofi zu arbeiten?
Richard Ringer: Die eigenen Ansprüche an sich sind entscheidend. Ich müsste nicht unbedingt arbeiten und würde schon über die Runden kommen. Dann bist du Sportler und hast dann am Karriereende nichts mehr. Das würde keinen Spaß machen. Da müsste sich schon ein Sponsor finden, der meinen Lohn von der Arbeit 1:1 ersetzt. Weit bin ich nicht davon entfernt, die Rahmenbedingungen für Vollprofi zu finden, und ich denke konkret daran, in nächster Zeit um eine Freistellung anzusuchen.
Bei mir ist es halt so, dass Arbeit und Sport eine optimale Balance finden. Und ich weiß nicht, ob mir das geschadet hat. Seit ich arbeite, 1. Januar 2013, habe ich mich stetig verbessert. Aber ich würde es im nächsten Jahr gerne ausprobieren, wie es ist, wenn ich nur Sport mache. Wir werden sehen, ob das besser klappt. Ich könnte dann viel mehr investieren, besonders in die Rahmenbedingungen des Lauftrainings: Krafttraining, Beweglichkeit, Sprinttraining etc. und viel mehr Höhentraining. Bis ich vor kurzem erstmals im Höhentraining war, war ich garantiert weltweit der schnellste 5.000m-Läufer, der nie in der Höhe war.

Ich war garantiert der schnellste 5.000m-Läufer der Welt, der nie in der Höhe war.

 
RunAustria: Es ist klar, dass die Heim-EM 2018 für dich aus vielen emotionalen Gründen ein besonderes Ziel ist. Auf welches Detail freust du dich jetzt schon?
Richard Ringer: Jedes Mal, wenn ich in Berlin gelaufen bin, habe ich die beste Leistung gebracht.  Ich freu mich vor allem auf dieses Publikum. Die Unterstützung ist enorm, auch wenn das Stadion nicht ganz voll ist.
 
 
RunAustria: Über welche Distanz(en) werden wir dich 2018 bei der EM sehen?
Richard Ringer: Eigentlich hab ich schon die 10.000 Meter im Blick. Das entscheidet sich wahrscheinlich erst einen Monat davor, wenn man weiß, wie die Konkurrenz drauf ist. Es ist sowohl der eine als auch der andere Einzelstart möglich. Der Zeitplan ermöglicht auch einen Doppelstart, weil es soll ja keine Vorläufe geben. Diese Option besteht natürlich, auch wenn ich nach einem 10.000er am Limit schon ein paar Tage Pause brauche. Aber wer weiß, wenn man in einem Hoch ist…

Wenn ich einen Marathon laufe, dann will ich österreichischen Rekord laufen.

 
RunAustria: Ein ehemaliger Trainer von dir hat mir erzählt, dass du bereits vor Jahren prädestiniert warst, auf die langen Strecken zu wechseln. Sehen wir dich bald bei einem Marathon?
Nada Pauer: Ich wünsche mir auch den Marathon. Aber Grundvoraussetzung dafür sind drei Jahre kontinuierliches Training auf der Bahn. Davor brauche ich nicht für einen Marathon trainieren. Ein Marathonlauf in 2:40 Stunden reizt mich nicht. Wenn ich einen Marathon laufe, dann will ich österreichischen Rekord laufen. Aufgegeben habe ich diesen Traum nicht. Bis 2020 bleibe ich – Stand jetzt – aber auf der Bahn. Ich habe dort noch eine Rechnung offen, weil ich weiß, dass diese Zeiten, die ich stehen habe, nicht repräsentativ dafür sind, was ich leisten kann. Wenn ich diese Rechnung beglichen habe, bin ich Feuer und Flamme für den Marathon.
 
 
Herzlichen Dank für das sehr interessante Gespräch und Alles Gute für die anstehenden Aufgaben!

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